jüngerer Mann unterhält sich mit Senior im Rollstuhl welcher ihm was zeigt

Pflegebedürftigkeit

Ratgeber: Pflegebedürftigkeit

Definition, Ermittlung, Unterstützungsmöglichkeiten

Pflegebedürftig können Menschen in jedem Alter werden: Ein Pflegefall kann plötzlich und unvorhergesehen auftreten, etwa in Folge eines Unfalls oder einer Erkrankung und akut nach einem Schlaganfall oder einem Herzinfarkt. Wie aber wird Pflegebedürftigkeit genau definiert und festgestellt? Und was ergibt sich daraus für die Betroffenen? Wir geben Orientierung.

Definition von Pflegebedürftigkeit: Das Pflegestärkungsgesetz (PSG) II und die Entwicklung der Pflegegrade

Bis zur aktuellen gesetzlichen Regelung galt als pflegebedürftig, wer aufgrund körperlicher, geistiger oder seelischer Erkrankungen oder Behinderungen erhebliche oder stärkere Hilfe bei alltäglichen Verrichtungen wie Körperpflege, Ernährung, Mobilität und hauswirtschaftlicher Versorgung benötigte. Von Fachleuten und Sozialverbänden wurde die Beschränkung auf die Routine des Alltags und somatische Aspekte heftig kritisiert. Insbesondere Demenzkranken, so die Ansicht der Experten, werde nicht ausreichend Rechnung getragen. Eine neue Definition war daher dringend geboten.

Pflegebedürftigkeitsbegriff

Seit dem 1. Januar 2017 bildet das PSG II die Grundlage für die Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung. Der Pflegebedürftigkeitsbegriff wird im Sozialgesetzbuch (SGB XI § 14 und 15) klar definiert:

Zur Beurteilung und Gewichtung der Pflegebedürftigkeit werden Kriterien aus sechs Lebensbereichen herangezogen:

  1. Mobilität
  2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
  3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  4. Selbstversorgung (u. a. Körperpflege, An- und Auskleiden, Hauswirtschaft)
  5. Bewältigung krankheits- und therapiebedingter Anforderungen (z. B. Arztbesuche, regelmäßige Medikamenteneinnahme, Diät)
  6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

 

Ermittlung der Pflegebedürftigkeit nach Pflegegraden: Die Rolle der Gutachter

Gemäß der gesetzlichen Regelung gibt es fünf Pflegegrade. Damit wird eine differenzierte Betrachtung ermöglicht und eine zeitgemäße, ganzheitliche Pflegeversorgung. Die Regelung trägt somit dazu bei, den individuellen Bedürfnissen und Anforderungen pflegebedürftiger Menschen gerecht zu werden.

Sachverständige Beurteilung und Vergabe der Pflegegrade

Nachdem Betroffene oder deren Angehörige bei der zuständigen Pflegeversicherung einen formlosen (mündlichen oder schriftlichen) Antrag gestellt haben, beauftragt diese einen unabhängigen medizinischen Gutachter. Die Vergabe des Pflegegrads erfolgt auf Grundlage der sachverständigen Beurteilung des Medizinischen Dienstes (MD). Die examinierten Pflegekräfte beurteilen anhand der genannten Kriterien und Bewertungssysteme im persönlichen Gespräch mit den Versicherten, ob und in welchem ​​Maße sie pflegebedürftig sind. Dabei wird die Fähigkeit einer Person zur Bewältigung alltäglicher Aktivitäten untersucht.

Abhängig von der Schwere der Beeinträchtigungen werden schließlich Pflegegrade 1 bis 5 vergeben, die den Umfang der benötigten Pflegeleistungen festlegen. Mehr dazu lesen Sie in unserem Ratgeber zum Thema „Pflegegrade“.

Fähigkeit zur Selbständigen Lebensführung steht im Mittelpunkt

Für die Einstufung nach Paragraf 15 SGB XI werden nicht die Ursachen, sondern die Wirkungen der jeweiligen Ausgangslage nach den oben genannten Kriterien überprüft. Ziel ist grundsätzlich nicht nur die Erhaltung der Lebensqualität der Betroffenen, sondern auch die Förderung eines möglichst selbstbestimmten Lebens.

 

Unterstützung bei Pflegebedürftigkeit ohne Pflegegrad

Nicht alle pflegebedürftigen Menschen erhalten automatisch einen Pflegegrad. Das ist etwa der Fall, wenn nach einem Krankenhausaufenthalt vorübergehend Pflege benötigt wird, ohne dass ein Pflegegrad vorliegt. Solche Situationen werfen die Frage auf, welche Unterstützungsleistungen zur Verfügung stehen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Betroffenen bei einer kurzfristigen Pflegebedürftigkeit übergangsweise zu helfen. Entsprechende Leistungen werden nicht von der Pflegekasse übernommen, sondern können bei den privaten oder gesetzlichen Krankenkassen beantragt werden.

Leistungen für Übergangssituationen und kurzzeitige Pflegebedürftigkeit

Häusliche Krankenpflege: Wenn im Haushalt keine Angehörigen zur Verfügung stehen, um die Pflege zu übernehmen, können Betroffene bei ihrer Krankenkasse bis zu vier Wochen häusliche Krankenpflege beantragen. Dabei werden alltägliche Aufgaben wie Behandlungspflege, Grundpflege oder hauswirtschaftliche Versorgung unterstützt. Bei den Kosten liegt die Selbstbeteiligung bei maximal 10 %.

Kurzzeitpflege in einer Pflegeeinrichtung: Falls eine häusliche Krankenpflege nicht infrage kommt, bietet die Krankenkasse die Möglichkeit eines zeitlich begrenzten Aufenthalts in einer Pflegeeinrichtung an. Dabei werden die Kosten bis zu einem festgelegten Betrag für höchstens acht Wochen pro Jahr übernommen. Dies gilt unter der Bedingung, dass keine pflegefähige Person im Haushalt lebt.

Haushaltshilfe: Eine Haushaltshilfe kann bei vorübergehender Pflegebedürftigkeit für bis zu vier Wochen beantragt werden. Diese übernimmt anfallende Haushaltstätigkeiten wie Einkaufen, Putzen und Kochen. Die Kosten sind von den Betroffenen zu tragen.

Übergangspflege im Krankenhaus: Bei weiterem Unterstützungsbedarf nach einem Krankenhausaufenthalt können bis zu zehn Tage Übergangspflege in Anspruch genommen werden. Diese umfasst Unterkunft, Verpflegung, Grund- und Behandlungspflege, Arznei- und Hilfsmittel sowie ärztliche Betreuung. Die Krankenkasse übernimmt diese Maßnahme, wenn eine Pflege zu Hause, eine Kurzzeitpflege oder eine Reha nicht realisierbar sind.

Empfohlene präventive Maßnahmen: Vorsorgevollmacht und Betreuungsvollmacht

Um im Fall von schweren Krankheiten oder im fortgeschrittenen Alter für wichtige Entscheidungen vorgesorgt zu treffen, gewinnt die Vorsorgevollmacht oder Betreuungsvollmacht an Bedeutung. Diese Verfügung berechtigt eine oder mehrere Personen des Vertrauens, Entscheidungen zu treffen, wenn die Betroffenen selbst dazu übergangsweise oder auf Dauer nicht selbst in der Lage sind.

 

Weiterführende Informationen

 Zu Pflegeleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung:
Bundesministerium für Gesundheit
https://gesund.bund.de/pflegeleistungen-der-gesetzlichen-krankenversicherung#uebergangspflege

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